Im Februar begann für unseren neuen Mitarbeiter Henning Reck seine erste Reise in die Wälder Finnlands. Nachdem er einige Monate zuvor sein Studium der Holzwirtschaft abgeschlossen und bei Jacob Jürgensen Wood seine Arbeit aufgenommen hatte, war es nun für ihn an der Zeit, seine Fähigkeiten in der Praxis unter Beweis zu stellen.
Henning Reck, Februar 2020
Orkan Sabine sorgte Mitte Februar auf dem Flug für rege Turbulenzen, doch die Piloten der finnischen Airline ließen sich davon nicht beirren und flogen ihre Gäste sicher nach Helsinki. Johanna Kaitaranta, gebürtige Finnin und Teamleiterin des Team Nordic, hatte mir für den Aufenthalt eine typisch finnische Waldhütte organisiert. Als Großstädter kam ich so in den Genuss der Weite und Einsamkeit der finnischen Wälder und konnte neben der Arbeit auch einen Hauch finnischen Flairs erleben.
Auf dem Plan für meine zweiwöchige Rundreise standen Besuche unserer Partnersägewerke und das Kennenlernen einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen, die ich bisher nur vom Telefon kannte, ein einwöchiges Praktikum bei dem Sägewerk JPJ Wood Oy sowie die Teilnahme an der „Wood from Finnland Conference“ in Helsinki.
Die Mission meiner Reise lässt sich mit drei Schlagworten zusammenfassen: Fachwissen, Freundschaft und Vertrauen.
Mein Fachwissen konnte ich erfolgreich dank der interessanten Vorträge auf der „Wood from Finnland Conference“ erweitern. Auf der „Wood from Finnland Conference“ kommen alljährlich die Betreiber der finnischen Sägewerke, Händler und wichtige Branchenvertreter zusammen. Internationale Dozenten aus Politik und Wirtschaft präsentierten die aktuellen Wirtschaftszahlen, Zukunftsaussichten und -pläne und ließen das vergangene Jahr Revue passieren. Auch das Thema Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Holzindustrie waren ein zentrales Thema.
Finnland ist auf dem Gebiet der Forstwirtschaft eine Vorreiternation in Sachen Nachhaltigkeit und Technologie. Früh erkannten sie, welchen Schatz ihr Land mit seinen ausgedehnten Wäldern aus Fichten, Kiefern und Birken birgt. Während meiner Reise konnte ich den bewussten Umgang mit dem Naturprodukt Holz immer wieder beobachten.
Die Konferenz ist ein Tag der Zusammenkunft Gleichgesinnter. Nach den Vorträgen des Tages folgte ein gemeinsames Abendessen und man konnte spüren, wie sehr sich die Anwesenden auf diesen Tag gefreut hatten. Der Austausch – gerade mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland – waren eine besondere Bereicherung. Der Vergleich mit der Arbeit der Kollegen regt zum Hinterfragen der eigenen Arbeitsabläufe an, kann der Bestätigung von typischen Problemlagen und dem Umgang mit solchen dienen oder zu Modernisierungskonzepten inspirieren.
Selbstverständlich diente auch das Praktikum bei JPJ Wood Oy, einem 200 Kilometer nördlich von Helsinki gelegenen und familiengeführten Sägewerk und einem wichtigen und längjährigen Partner, der Erweiterung meines Wissensschatzes. Zwar sind mir die verschiedenen Einschneidetechniken, die Funktion der großen Sägen etc. aus dem Studium bekannt und in Deutschland konnte ich sowohl im Studium als auch durch die Arbeit bei Jacob Jürgensen bereits einige Sägewerke und ihre Arbeit in der Praxis kennenlernen.
Doch jeder, der sich mit Holz auskennt, weiß: Holz ist nicht gleich Holz. Sägewerke sind entsprechend der Diversität der Einschnittprodukte auch nicht alle gleich. JPJ Wood Oy produziert Schnittholz aus Fichte und Kiefer und exportiert dieses weltweit.
Die Familie hat in den vergangenen Jahren viel in neue Produktionstechniken investiert. Die Mitarbeiter hießen mich herzlich willkommen und führten mich stolz durch ihre modernisierte Produktion: Ausgehend vom Rundholzplatz mit der Rundholzsortierung, die die einkommenden Stämme mittels 3D-Lasertechnik und Röntgenstrahlung untersucht, sortiert und anschließend zwischengelagert führten sie mich bis zum Einschnitt in der Sägehalle. Ich konnte Einblicke in die Trocknungsanlagen gewinnen und mir wurden die Grundlagen der Produktionsplanung mittels moderner Computersoftware erläutert.
Außerdem begleitete ich einen Kollegen auf einem Harvester, einer hochtechnologischen Erntemaschine für Bäume. Diese Maschine, eine Kombination aus Geländefahrzeug, Greifarm und Kettensäge, kann höchst präzise und effektiv Bäume fällen. In Finnland ist diese Art des Holzeinschlages weit verbreitet. Als in den späten 90er Jahren Orkan Lothar ganze Wälder verwüstete, entsandten die Finnen zahlreiche Harvester nach Deutschland, um den deutschen Waldbesitzern zu helfen. Seitdem kommen diese Maschinen auch hierzulande zum Einsatz.
Das Verständnis des Produktes und der Technik der Sägewerke ist jedoch kein Selbstzweck zur privaten Wissenserweiterung, sondern notwendige Grundlage für ein hohes Niveau an individueller Beratung unserer Kunden. Neben dem Wissen über Art und Maß des Holzes wie den Dimensionen und Längen des Holzes, der Holzfeuchte sowie individuellen Qualitäten nach Kundenwunsch ist es für eine umfassende Beratung unerlässlich, das Rohmaterial – den Baum – gut zu kennen. Begriffe wie etwa „Gesundastigkeit“, „Schwarzastigkeit“, „2/4 ex log“, „Halb-/ Edelrift“ müssen verstanden werden. Der Beruf erfordert, die Auswahl des passenden Holzes mit den Angeboten der Sägewerke zu verknüpfen. Daher gehört es zu unseren Aufgaben, die von uns vertretenen Sägewerke genau zu kennen. Was sind die Besonderheiten oder Spezialitäten des Sägewerkes? Aus welchem Wuchsgebiet stammt das Rundholz für den Einschnitt? Welche Lieferdimensionen kann das Sägewerk leisten? Welche Vorbearbeitungsschritte sind gewünscht und welche kann das Sägewerk übernehmen?
Neben der Erweiterung des fachlichen Horizonts stand auch die Kontaktpflege im Fokus der Reise. 1892 wurde der erste Kontrakt zwischen Jacob Jürgensen und einem skandinavischen Sägewerk geschlossen. Seit beinahe 130 Jahren pflegt Jacob Jürgensen erfolgreich seine traditionsreichen Freundschaften mit den Skandinaviern. Berufliche Kontakte zu pflegen mag auf den ersten Blick ein esoterisches, schlecht zu greifendes Ziel sein. Doch der persönliche Kontakt ist ein maßgeblicher Faktor für grenzüberschreitende, effektive Zusammenarbeit:
Meine Reise brachte zahlreiche interessante Gespräche mit Holzexperten mit sich. Indem ich mir die Erfolgsgeschichten, aber auch die Probleme der Sägewerksbesitzer und -mitarbeiter anhören konnte, konnte ich Verständnis für diese generieren. Ich kann diese individuellen Stärken und Bedürfnisse in Vertragsverhandlungen oder bei der Akquirierung von Neukunden nutzen. Einerseits kann ich die Stärken bewerben, andererseits kann ich Problemen vorbeugen, wenn mir Problemquellen bewusst sind. Letztlich führt dies zu einer Win-Win-Situation: kann ich unser Partnersägewerke mit ihren individuellen Stärken an einen Kunden vermitteln, gewinnt sowohl das Sägewerk als auch Jacob Jürgensen einen Kunden. Ist der Kunde aufgrund der individuellen Vermittlung schlussendlich ebenfalls glücklich, haben wir sogar eine “Win-Win-Win-Situation”.
Insgesamt hat sich dank meiner Finnlandreise mein Bewusstsein für die Bedürfnisse der Sägewerksbetreiber und -mitarbeiter geschärft. Mein Horizont wurde durch neues Fachwissen und den Austausch mit meinen internationalen Kolleginnen und Kollegen bereichert. Außerdem kann ich guten Gewissens unseren Kunden an unsere Partnersägewerke vermitteln, weil ich auf die hohe Qualität der Produkte vertrauen kann. Nach zwei Wochen reiste ich also erschöpft, aber reich an neuem Wissen und neuen Bekanntschaften zurück nach Hause. Ich bin motiviert, diese Erfahrungen in meine tägliche Arbeit mitaufzunehmen und freue mich sehr auf meinen nächsten Aufenthalt in Finnland.